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#113 Besessenheit

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Besessenheit ist der Motor, Verbissenheit die Bremse.
Rudolf Chamitowitsch Nurejew (Tänzer, klassisches Ballett)

Der Teufel steckt im Detail

Ist der absolute Wille eine andere Form von Besessenheit oder gibt es vielleicht doch einen (marginalen) Unterschied?
Besessenheit, so scheint es, geht über den absoluten Willen hinaus. Der Anmutung der Masse nach ist es etwas Pathologisches. Warum? Weil es schlecht greifbar ist, weil es den Menschen fremd ist, für etwas zu brennen, das an diese Besessenheit grenzt?
Das Genre “Horror” benutzt die Besessenheit dazu, ein wenig Exorzismus zu betreiben, aber so weit wollen wir hier nicht gehen. Die Besessenheit soll nützlich sein, das oder die Ziele zu erreichen, die man oder in diesem Fall ich mir stecke.

Nicht die Finger davon lassen können

Dies wäre ein Merkmal, ein anderes besteht darin, dass die Gedanken permanent um das Ziel oder die Kunst kreisen, mit der man das Ziel erreichen möchte.
Kurzer Einschub: Ziel ist hier als Zwischenziel zu verstehen. Ein großes, endgültiges Ziel kann es nicht geben. Freiheit ist ein (Zwischen)Ziel, aber danach wird und muss es weitergehen. Vielleicht passt diese Definition: Ein Ziel ist nur das Absprungbrett für ein neues Ziel.
Aber die Besessenheit darf nicht zur Verbissenheit werden (siehe Zitat). Verbissenheit ist sehr stark auf eine Verkrampfung ausgerichtet und dies bedeutet, man ist nicht sonderlich locker und verkrampft sein Ziel zu erreichen ist nicht sonderlich erstrebenswert. Denn, wir leben auch zwischen dem Startpunkt und dem (Zwischen)Ziel. Das, was wir nie vergeuden dürfen, ist Zeit, unsere Lebenszeit.

Mit sich ins Gericht gehen

Manchmal muss man sich auch von seiner Besessenheit verabschieden, weil sie nicht zielführend ist. Dies bedeutet nicht, dass man das, was man gerne macht, nicht weitermachen soll. Man fährt dann eben zweigleisig. Zielführend und die Besessenheit nebeneinander. Parallel.
Warum?
Zum einen kann sich das, wo das Herz mit einer sehr großen Leidenschaft dranhängt, nicht monetär auszahlen. Vielleicht aber ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen und es braucht noch ein wenig Übung.
Alle Schriftsteller, Maler und Musiker haben sehr viel Zeit in Übungen gesteckt und tun dies immer noch.

Und wenn man doch allein ist

Ziele erreichen ist sehr wichtig für den Menschen. Es gibt einem die Kraft, etwas zu erreichen und wenn diese Ziele dazu noch außergewöhnlich sind, dann kann man sich noch mehr auf die Schulter klopfen, wenn man es geschafft hat.
Bleiben wir bei der Kunst. Das, was der Künstler erschafft, das, was ich erschaffe, ist für mich, nur für mich. Hört sich blöd an, ist es aber nicht. Kopiere ich etwas, hiermit meine ich schon fast eine 1:1-Kopie, dann bin ich ein Kopist, ein Dieb, ein Urheberrechtsverletzer, aber nie ein Künstler, der etwas aus seiner Kreativität heraus erschafft. Als Kopist bin ich höchstens ein begabter Handwerker.
Die Kunst, die Besessenheit, in einem Thema braucht Übung (wie schon angesprochen). Übung ist aber auch eine Entwicklung, man erarbeitet sich eine Sprache (Stil), die unverkennbar ist. Um dahin zu kommen, bedarf es vieler Sackgassen und Fehlschläge, aber auch die Resilienz nicht aufzugeben, an das zu glauben, was man erschaffen will.
Und wenn man am Ende der Zeit alleine mit seiner Kunst geblieben ist, sich die Werke ansieht, stolz auf sich ist, dann hat man mehr erreicht als 99% der Menschheit.

Warum negativ besetzt

Ist die Besessenheit ein negatives Überbleibsel aus der Kirchenhistorie? Waren die Hexen im Mittelalter vom Teufel besessen oder was hat die Menschen dazu veranlasst, diese Frauen auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen? Seien wir kritisch aber ehrlich: Zur Besessenheit würde auch der Voodoo Kult gehören. Wir sehen, dass mehr oder minder eine Besessenheit etwas Negatives, vielleicht sogar etwas Versklavendes sein kann.

Das Wort in falscher Benutzung

Lassen wir das Negative außen vor. Besessenheit könnten wir auch mit Fokus oder Konzentration umschreiben. Könnten wir? Sollten wir? Dies Ganze ist nur wieder eine weitere Schublade, in der wir die Menschen verstauen und kategorisieren. Wir ticken so, wir brauchen das für unseren Frieden. Eine Schublade als Abgrenzung. Vielleicht sollte man die Besessenen einfach ihr Ding machen lassen, solange sie keinem anderen Schaden zufügt (oder sich selber), sollte jeder Mensch so leben dürfen, wie er oder sie es für richtig hält.
Das Leben ist halt für manche ein Apothekerschrank.

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Rohan de Rijk

Rohan de Rijk wurde in den 68er Jahren in Düsseldorf geboren. Rohan bezeichnet sich seit frühester Kindheit als „Extrem-Leser“. Sein erster Thriller „Schnee am Strand“ erschien 2018. Davor hatte Rohan einige Kurzgeschichten und den Gedichtband „düster Zeilen“ veröffentlicht. Er bekennt sich zum Selfpublishing, weil seine Kreativität dort am besten zum Tragen kommt. Als gelernter Mediengestalter designt er seine Cover selber. So ist jedes Buch ein 100%iger Rohan de Rijk. Sein Leben als Schriftsteller und Freigeist teilt er mit der Welt in seinem Podcast „Rohan´s 13 Minutes“. Rohan de Rijk lebt heute mit seiner Familie in Mönchengladbach und in Noord-Holland.

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